Wer Schönheitsreparaturen bei unrenoviert übergebenen Räumen leisten soll, fragt sich zu Recht, warum er später womöglich die Hinterlassenschaften seines Vormieters beseitigen muß.
1. Unrenovierte Wohnung
a) Bisherige Rechtslage
Die Verpflichtung zur Vornahme von Schönheitsreparaturen bei unrenoviert übergebenen Räumen konnte der Vermieter bisher unproblematisch auf die Mieter übertragen. Voraussetzung dafür war nur, daß die Mieter nur die Schönheitsreparaturen übernehmen sollten, die auf ihre eigene Vertragslaufzeit entfielen. Dem trug man dadurch Rechnung, daß die üblichen Renovierungsfristen nicht ab der letzten Renovierung, sondern ab Einzug der neuen Mieter gerechnet wurden. Dabei ging die Rechtsprechung im Wohnraummietrecht aber noch davon aus, daß dafür ein fester Turnus vereinbart werden könne, nämlich in
- Küchen, Bädern und Duschen alle 3 Jahre,
- Wohn- und Schlafräumen, Fluren und Toiletten alle 5 Jahre,
- anderen Nebenräumen alle 7 Jahre.
Der BGH befand aber mit Urteil vom 23.6.2004, daß solch “starre Fristen” die Mieter ungerechtfertigt benachteiligten. Bei pfleglicher Behandlung der Wohnung sei nach Ablauf dieser Fristen eine Renovierung unter Umständen noch gar nicht notwendig. Die Renovierungsintervalle müßten daher flexibel vereinbart werden, z.B. “im Allgemeinen” nach Ablauf der bisherigen Fristen und nur “soweit erforderlich”.
b) Schönheitsreparaturen bei unrenoviert übergebenen Räumen
Der BGH hat nun mit Urteil vom 18.3.2015 — VIII ZR 185/14 festgestellt, daß mit Wegfall der starren Fristen die Gefahr besteht, daß ein Mieter bei Übernahme eine unrenovierten Wohnung doch für die Gebrauchsspuren einstehen muß, die der Vormieter hinterlassen hat. Flexible Fristen stellen auf den tatsächlich bestehenden Renovierungsbedarf ab. Der Mieter ist darum bei einer flexiblen Renovierungsfrist zur Ausführung der Schönheitsreparaturen verpflichtet, sobald es der (abgenutzte) Erhaltungszustand der Wohnung erfordert. Das gilt unabhängig davon, inwieweit dieser vom Mieter oder seinem Vormieter verursacht worden ist. Zieht er in eine unrenovierte Wohnung ein, wäre er im Extremfall zur sofortigen Renovierung verpflichtet.
c) Lösung: Ausgleichszahlung
Einen Ausweg hat der BGH nun aufgezeigt. Die formularvertragliche Überwälzung der laufenden Schönheitsreparaturen auf den Mieter einer unrenoviert oder renovierungsbedürftig übergebenen Wohnung kann wirksam vereinbart werden, wenn der Vermieter die Verpflichtung des Mieters zur Beseitigung vorvertraglicher Abnutzungsspuren durch einen Ausgleich kompensiert. Er muß den Mieter dabei so stellen, als hätte er ihm renovierten Wohnraum überlassen. Der Vermieter kann dem Mieter zum Ausgleich für den Renovierungsaufwand z.B. einen gewissen Mietverzicht anbieten. Dieser Ausgleich muß in einem angemessenen Verhältnis zum Zustand der Wohnung stehen. Ob das im Einzelfall gegeben ist, werden leider weiterhin die Gerichte zu entscheiden haben.
Dabei bleibt es laut Urteil des BGH vom 22.8.2018 — VIII ZR 277/16 auch dann, wenn der Mieter sich in einer Vereinbarung mit dem Vormieter zur Vornahme der Renovierungsarbeiten bei seinem Auszug verpflichtet hat. Denn eine solche Vereinbarung hat keine Auswirkung auf den Mietvertrag zwischen Vermieter und neuem Mieter.
d) Lösung: Kostenteilung
Wenn die Parteien keine Ausgleichszahlung vereinbart haben, ist und bleibt die Schönheitsreparaturenklausel unwirksam. Damit trifft den Vermieter grundsätzlich die Pflicht, die Wohnung gem. § 535 Abs. 1 S. 2 BGB im vertragsgemäßen Zustand zu erhalten. Vertragsgemäß ist eigentlich nur unrenovierte Zustand bei Einzug des Mieters. Der kann regelmäßig weder so wiederhergestellt werden, noch ist das wirtschaftlich sinnvoll. Der BGH hat mit zwei Urteilen vom 8.7.2020 — VIII ZR 163/18 und VIII ZR 270/18 befunden, daß der Vermieter die Wohnung durch vollständige Renovierung zwar in einen besseren Zustand versetzen müsse, als sie sich bei Einzug des Mieters befunden habe. Im Gegenzug müsse der Mieter sich dann aber hälftig an den Kosten beteiligen. Dies dürfte eine praktikablere Lösung darstellen als die Bezifferung einer “angemessenen” Ausgleichszahlung.
2. Beweislast beim Mieter
Damit ist entscheidend, ob der Mieter die Wohnung in renoviertem Zustand erhalten hat oder nicht. Hier kommt es darauf an, wie der Gesamteindruck der Wohnung bei Übergabe ist. Der Vermieter sollte das Übergabeprotokoll entsprechend genau erstellen und im Zweifelsfall durch Fotografien ergänzen. Das Landgericht Berlin hat mit Beschluß vom 4.6.2015 — 67 S 140/15 eine Wohnung schon als unrenoviert eingestuft, weil die Fenster bei Einzug des Mieters nicht frisch gestrichen waren und Lackabplatzungen aufwiesen.
Die Beweislast für den Zustand der Wohnung bei Übergabe trägt der Mieter. Der Vermieter muss sodann beweisen, daß der Ausgleich, den er dem Mieter gegebenenfalls gewährt hat, auch angemessen war.
3. Unrenovierte Gewerberäume
Das OLG Dresden hat mit Hinweisbeschluß vom 6.3.2019 — 5 U 1613/18 befunden, daß die Entscheidung des VIII. Zivilsenats des BGH auch auf Gewerberaummietverträge anzuwenden sei. Gewerberaummieter sind damit in gleicher Weise wie Wohnraummieter davor geschützt, Schönheitsreparaturen bei unrenoviert übergebenen Räumen ohne Ausgleichsleistung vom Vermieter ausführen zu müssen.
Das Landgericht Lüneburg ist dieser Ansicht mit Urteil vom 4.8.2016 — 5 O 353/14 gefolgt.
4. Ausblick
Vermieter müssen wohl damit rechnen, daß die Abwälzung der Schönheitsreparaturen auf den Mieter irgendwann vom BGH für gänzlich unwirksam erklärt wird. Das Landgericht Berlin hat mit Urteil vom 9.3.2017 — 67 S 7/17 die Formulierung: “Die Kosten der Schönheitsreparaturen trägt der Mieter. ” für unwirksam erklärt. Dabei hat es ausdrücklich keinen Unterschied dabei gemacht, ob die Wohnung renoviert oder unrenoviert übergeben wurde.
Begründet hat es das Urteil damit, daß dem Mieter bei einer Kostenklausel unter Zugrundelegung der “kundenfeindlichsten” Auslegung die Möglichkeit zur Vornahme der Schönheitsreparaturen in Eigenleistung genommen wird.
Sofern die Klausel den Mieter aber nicht zur Kostenübernahme, sondern zur Vornahme der Renovierung verpflichten soll, ist sie nach Ansicht des Landgerichts ebenfalls unwirksam. Gem. § 536 Abs. 4 BGB sei es untersagt, die Minderungsrechte des Mieters zu beschneiden. Gewährleistungsrechte stünden dem Mieter damit nicht zu, sofern und solange er die Schönheitsreparaturen nicht ausführt. Das Urteil ist rechtskräftig. Es bleibt abzuwarten, daß der BGH über die Wirksamkeit einer gleichlautenden Klausel befindet.