Lärm vom Nachbargrundstück stört Eigentümer und Mieter gleichermaßen. Eine benachbarte Schule oder ein Kinderspielplatz sind Lärmquellen, die man mit Rücksicht auf das Toleranzgebot noch hinnehmen muß. Wenn ein Mieter aber auf einmal mit einer langwierigen Baustelle konfrontiert ist, liegt der Gedanke an eine Mietminderung nahe.
1. Inhalt des Mietvertrags
Eigentümer sind in solch einem Fall aber genauso hilflos wie ihre Mieter. Keiner kann — gerade in Stadtgebieten — davon ausgehen, daß sich die Gegebenheiten in der unmittelbaren Nachbarschaft nie nachteilig verändern werden. Ein Mieter kann damit nicht voraussetzen, im Mietvertrag sei zumindest stillschweigend vereinbart, daß es sich stets um eine ruhige Wohngegend handeln werde. Eine derartige Beschaffenheitsvereinbarung würde schließlich eine entsprechende Einigung mit dem Vermieter voraussetzen. Eine Einigung kann aber gem. Urteil des BGH vom 29.4.2015 — VIII ZR 197/14 (Bolzplatzentscheidung) nur dann zustande kommen wenn
- dem Vermieter die Vorstellungen des Mieters bekannt sind und
- er darauf in irgendeiner Form zustimmend reagiert.
2. Mietminderung
Üblichen Lärm muß ein Mieter zunächst einmal nicht per se dulden, wenn die Tauglichkeit der Mietsache zum vertragsgemäßen Gebrauch dadurch gemindert ist. Dann besteht gem. § 536 Abs. 1 S. 1 BGB ein Anspruch auf Mietminderung. Dieser Anspruch ist jedoch ausgeschlossen, wenn auch der Vermieter die Immissionen ohne eigene Abwehr- oder Entschädigungsmöglichkeit nach § 906 BGB als unwesentlich oder ortsüblich hinnehmen muss (Urteil des BGH vom 24.11.2021 — VIII ZR 258/19).
a) Beweislast des Mieters
Will ein Mieter einen Anspruch auf Mietminderung durchsetzen, kann es genügen, daß er zunächst einmal darlegt, um welche Art von Beeinträchtigungen es sich handelt, zu welchen Tageszeiten, über welche Zeitdauer und in welcher Frequenz diese ungefähr auftreten. Die Anfertigung eines Lärmprotokolls ist im Falle einer Großbaustelle allerdings nicht erforderlich (Urteil des Landgerichts München I vom 14.1.2016 — 31 S 20691/14).
b) Beweislast des Vermieters
Der Vermieter kann sich sodann dadurch entlasten, daß er nachweist, daß er selbst die Immissionen ohne eigene Abwehrmöglichkeit als unwesentlich oder ortsüblich i.S.v. § 906 BGB hinnehmen muß (Urteil des Landgerichts München I vom 15.11.2018 — 31 S 2182/18).
- So ist der Lärm, der von Kinderspielplätzen als Kinderlärm der in § 22 Abs. 1 a BImSchG beschriebenen Art ausgeht, jedenfalls bei Beachtung des Gebots zumutbarer gegenseitiger Rücksichtnahme in der Regel als nicht oder nur unerheblich beeinträchtigend einzustufen.
- Erhöhte Lärmbelastung in der Innenstadt, die durch eine zeitweilige straßenbaubedingte Umleitung des Verkehrs verursacht wird, muß ein Mieter ebenfalls redlicherweise hinnehmen. Eine solche vorübergehende erhöhte Lärmbelastung stellt jedenfalls dann, wenn sie sich innerhalb der in einer Innenstadtlage üblichen Grenzen hält, keinen zur Minderung berechtigenden Mangel dar (Urteil des BGH vom 19.12.2012 — VIII ZR 152/12).
- Nach Abschluss des Mietvertrags auftretender Lärm, z.B. von einer auf einem Nach-bargrundstück betriebenen Baustelle begründet Anspruch auf Mietminderung, wenn auch der Vermieter die Immissionen ohne eigene Abwehr- oder Entschädigungsmöglichkeit nach § 906 BGB hinnehmen muss (Urteil des BGH vom 29.4.2020 — VIII ZR 31/18). Je nach Umfang des Baulärms wurden gerichtlich schon bis zu 20 % Mietminderung zugesprochen.
Der Mieter nimmt damit an der Situationsgebundenheit der gemieteten Wohnung und den aus der Nachbarschaft entstammenden Einwirkungen einschließlich der damit verbundenen Veränderungsrisiken generell teil.